KI in der Immobilienbewertung – Vom AVM zur KI-gestützten Gutachtenerstellung

Die rasanten Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz eröffnen völlig neue Möglichkeiten in der Immobilienbewertung. Doch während automatisierte Bewertungsmodelle (AVMs) mittlerweile in vielen Anwendungsbereichen zur schnellen Ermittlung von Markt- und Mietwerten eingesetzt werden, stoßen sie bei dem Einsatz im Rahmen von Wertgutachten an ihre Grenzen. In diesem Beitrag erläutern wir die unterschiedlichen Einsatzfelder von AVMs und KI-gestützten Lösungen für die Gutachtenerstellung, stellen Beispiele führender Tools vor und zeigen auf, wie das KIBI Institut Fachkräfte und Entscheidungsträger bei diesem Transformationsprozess unterstützt.
Automated Valuation Models (AVMs) in der Immobilienbewertung
Beispiele führender AVMs: In Deutschland und Europa werden u.a. STmate (von on-geo), das Sprengnetter AVM und das PriceHubble AVM eingesetzt.
-
STmate – kombiniert ein EAA-zertifiziertes Bewertungsmodell mit aktueller KI-Technologie und wurde mit Daten zu über 20 Mio. Wohnobjekten trainiert. Es liefert innerhalb von Sekunden transparente Wertindikationen auf Basis von Live-Daten und ist als „digitaler Begleiter“ für Markt- und Portfolioanalysen konzipiert.
Lesen Sie unseren Blogbeitrag hier: STmate -
Sprengnetter AVM – ein automatisches Bewertungssystem, das bereits mit wenigen Eingaben (z.B. Objektart und Adresse) eine Marktwertspanne für Wohnimmobilien in Echtzeit berechnet. Eine API-Anbindung ermöglicht die nahtlose Integration in andere Anwendungen; das System wird z.B. millionenfach pro Monat für automatisierte Bewertungen in Banken oder Online-Portalen genutzt. Bei zusätzlicher Eingabe detaillierter Objektdaten verengt sich die Wertspanne und die Schätzung wird präziser.
Lesen Sie unseren Blogbeitrag hier: Sprengnetter AVM -
PriceHubble AVM – ein international eingesetztes Modell, das umfangreiche Immobilien- und Marktdaten auswertet, um aktuelle Verkaufs- und Mietpreise abzuleiten. Das Modell wurde erfolgreich durch eine Big-4-Wirtschaftsprüfung nach dem ISAE-3000-Standard zertifiziert, was seine Zuverlässigkeit und regulatorische Konformität unterstreicht. PriceHubble liefert neben Wertindikationen auch interaktive Standortanalysen und wird von Maklern, Banken und Investoren zur schnellen Preisermittlung und Kundenberatung genutzt.
Lesen Sie unseren Blogbeitrag hier: PriceHubble AVM
Einsatzbereiche von AVMs: AVMs eignen sich besonders für Szenarien, in denen schnell viele Objekte bewertet oder Markttrends analysiert werden müssen. Typische Anwendungsfelder sind:
-
Marktanalysen und Monitoring: Mit AVMs lassen sich großräumige Wohnmarkt-Trends oder Quartiersdaten auf Knopfdruck auswerten (z.B. Preise, Mieten, Renditen). Dies unterstützt Investoren und Analysten bei Standortbewertungen und Portfolio-Strategien.
-
Portfoliobewertungen: Ganze Immobilienportfolios können automatisiert und regelmäßig neu bewertet werden, etwa zur Überwachung von Beständen. Finanzinstitute nutzen AVMs im Kreditgeschäft, um besicherte Immobilien laufend in Echtzeit zu überwachen.
-
Erstindikation des Marktwerts: Für einzelne Objekte liefern AVMs eine erste Wertindikation innerhalb von Sekunden – nützlich etwa für Immobilieneigentümer und Makler (z.B. als Leadgenerierungstool auf Websites) oder zur Vorprüfung bei Kreditanträgen. Diese schnellen Schätzungen geben eine Orientierung, ersetzen aber noch keine fundierte Begutachtung durch einen Experten.
Grenzen von AVMs und Herausforderungen bei der Gutachtenerstellung
Die rein automatisierte Ermittlung von Immobilienwerten ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Erstellung eines rechtsverbindlichen, vollwertigen Gutachtens. Aus arbeitsrechtlichen, regulatorischen und fachlichen Gründen muss ein Gutachten immer die individuelle Expertise eines qualifizierten Sachverständigen widerspiegeln. Das aktuelle Paper des KIBI Instituts "KI und Immobilienbewertung: Warum vollautomatische Gutachten derzeit unzulässig sind" legt dar, dass vollständige, automatisierte Immobilienbewertung für Wertgutachten derzeit weder fachlich anerkannt noch rechtlich zulässig sind. Gründe hierfür sind unter anderem:
-
Fehlende Berücksichtigung individueller Objektmerkmale: Ein AVM kann Besonderheiten einer Immobilie (z.B. außergewöhnliche Architektur, spezifischer Bauzustand, Mikrolage-Details) oft nicht adäquat bewerten, da es primär auf standardisierten Dateneingaben beruht. Eine Vor-Ort-Besichtigung durch einen Sachverständigen und dessen qualitative Einschätzung der Immobilie finden nicht statt – sind jedoch für ein belastbares Gutachten unerlässlich.
-
Erfordernis fachlicher Validierung: Berufsstandards (z.B. die European Valuation Standards) stellen klar, dass ein AVM niemals ohne Mitwirkung eines Gutachters ein vollständiges Bewertungsergebnis liefern kann. Menschliche Prüfung ist unabdingbar: Wo AVMs eingesetzt werden, bleiben sie ein Werkzeug, während der Gutachter weiterhin die Verantwortung trägt und wichtige Schritte wie die Immobilienbesichtigung sowie die Plausibilisierung der Ergebnisse übernehmen muss. Extreme oder unplausible Modell-Ergebnisse müssen erkannt und hinterfragt werden (etwa wenn eine berechnete Wertzahl deutlich außerhalb der marktüblichen Spanne liegt).
-
Transparenz und Dokumentation: Ein rechtssicheres Gutachten laut IVS (International Valuation Standards) und andere Bewertungsrichtlinien erfordert die vollständige Offenlegung und Nachvollziehbarkeit aller verwendeten Daten, Parameter und Annahmen. Rein KI-basierte Modelle agieren jedoch oft als „Black Box“, bei der die Herleitung des Ergebnisses nicht ohne Weiteres ersichtlich ist. Damit genügen AVM-Berechnungen allein nicht den Dokumentationspflichten: Die Wahl des Bewertungsansatzes und die getroffenen Wertansätze müssen vom Gutachter begründet und für Dritte nachvollziehbar dokumentiert werden. Ein Gutachten darf sich folglich nicht auf ein intransparentes statistisches Modell stützen.
Eingeschränkte Gültigkeit als Gutachten: Aufgrund der genannten Punkte gelten AVM-Ergebnisse bislang nur als Unterstützungstool, aber nicht als Ersatz für ein vollwertiges Wertgutachten. Selbst wenn ein AVM eine gute Wertindikation liefert, fehlt ihm die rechtliche Anerkennung als Gutachten. Ohne die Unterschrift und Gewährleistung eines qualifizierten Sachverständigen (inkl. dessen Marktkenntnis und unabhängiger Urteilsfähigkeit) besitzt ein automatisches Bewertungsergebnis keine rechtsverbindliche Gutachtenqualität.
Diese Einschränkungen verdeutlichen, dass AVMs vor allem als unterstützende Werkzeuge dienen und nicht den menschlichen Sachverstand ersetzen können.
KI-gestützte Lösungen für die Gutachtenerstellung
Während AVMs also ihren Platz in der schnellen Marktdatenanalyse haben, bieten KI-gestützte Tools zur Gutachtenerstellung einen anderen Mehrwert: Sie unterstützen den Gutachter aktiv in allen Phasen der Bewertung, ohne dabei den entscheidenden menschlichen Beitrag zu verdrängen. Zwei Beispiele in diesem Bereich sind:
-
Reguvis Velaro: Diese Lösung wurde im Rahmen eines Innovationsprojekts entwickelt und basiert auf intensiver Zusammenarbeit mit Immobilien-Wertermittlern und technischen Partnern wie Seedbox Ventures. Velaro erstellt automatisch Textvorschläge auf Basis von Begehungsdokumentationen (Fotos, Sprachaufnahmen, handschriftliche Notizen) und erleichtert so die Erstellung von Wertgutachten. Dabei bleibt die Kontrolle stets beim Sachverständigen, der die vorgefertigten Formulierungen anpassen kann.
Lesen Sie unseren Blogbeitrag hier: Reguvis Velaro -
REZEN: Als cloudbasierte KI-Lösung ermöglicht REZEN die Erstellung von druckfertigen Verkehrswertgutachten nach § 194 BauGB sowie weiterer Varianten wie Kompakt- und Kurzgutachten. Mit automatisierten Prozessen, wie der Integration amtlicher Statistiken, Google-Maps-Lagekarten und der Nutzung ca. 850 Textbausteinen, bietet REZEN eine umfassende Unterstützung im Bewertungsprozess. Gleichzeitig betont die Software, dass alle Entscheidungsschritte in der Hand des Gutachters bleiben, wodurch ein IVS-konformes Gutachten entsteht.
Lesen Sie unseren Blogbeitrag hier: REZEN
Unterschied zu AVMs: Velaro und REZEN unterscheiden sich von klassischen AVMs vor allem darin, dass sie nicht lediglich einen Zahlenwert liefern, sondern den Gutachter bei der Erstellung eines vollständigen Berichtes unterstützen. Die KI-gestützten Gutachtentools greifen auf die Fachkompetenz des Nutzers zurück und erhöhen dessen Produktivität, während AVMs weitgehend autonom operieren und nur eine punktuelle Wertschätzung bieten. Wichtig ist: Bei Velaro, REZEN & Co. bleibt der Sachverständige integraler Bestandteil – seine Eingaben, Prüfungen und Entscheidungen bestimmen das Endergebnis. Die KI fungiert als Assistent (für Textvorschläge, Datenaufbereitung, Rechenautomatik), während bei AVMs die Gutachterrolle außerhalb des Modells liegt. Somit können KI-Gutachtentools ein rechtskonformes Verkehrswertgutachten ermöglichen (der Gutachter signiert und verantwortet es), wohingegen ein reiner AVM-Report diese formale und inhaltliche Tiefe nicht erreicht.
Unterstützung durch das KIBI Institut
Hier geht's zu den Tool-Vorstellungen von STmate, Sprengnetter AVM, PriceHubble AVM, Reguvis Velaro und REZEN








